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30. September 2015 · Aktuelles

Verkehrte Modewelt

„Als ich mich kürzlich durch eine Fotoserie der Pariser Fashion Week klickte, war ich zutiefst erschrocken über das Aussehen der Models. Allenthalben blickte ich in blasse Gesichter mit hohlen, eingefallenen Wangen, sah knochige Arme und Beine aus Blusen und Röcken ragen und fragte mich einmal mehr, wann unsere Modeschöpfer eigentlich aufgehört haben, weibliche Kurven und Rundungen schön zu finden. Das Schönheitsideal, das in unserer Modewelt zelebriert wird, ist definitiv nicht gesund. Und es ist weit entfernt von jeder Realität. Frauen werden im Durchschnitt immer größer und kräftiger, die Kluft zwischen Schönheitsideal und Wirklichkeit immer größer. Und ich frage mich: Für wen wird diese Mode auf den Laufstegen eigentlich gemacht, wenn nicht für gesunde, lebendige Frauen aus Fleisch und Blut?

Das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) befragte kürzlich 214 Menschen, die an einer Essstörung erkrankt waren – darunter überwiegend Jugendliche und junge Erwachsene – nach der Rolle von Fernsehsendungen bei der Entwicklung ihrer Krankheit. Rund ein Drittel der Befragten gab an, die Sendung Germany’s Next Topmodel (GNTM) habe einen „sehr starken Einfluss“ auf ihre Erkrankung. Die meist sehr schlanken Kandidatinnen werden nicht nur als Idealbild bewundert, sondern erscheinen als Norm dafür, wie ein Mädchen auszusehen hat. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um absolute Ausnahmeerscheinungen.

Sendungen wie GNTM sind sicherlich nicht allein maßgeblich für die Entstehung einer Essstörung, ebenso wenig wie die Fotostrecken der Internationalen Modewochen. Doch wenn bei einer jungen Frau ohnehin schon Risikofaktoren vorliegen, welche die Entwicklung einer Essstörung begünstigen, kann die Konfrontation mit einem absolut unrealistischen und für die allermeisten Menschen völlig unerreichbaren Schönheitsideal der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Die Befragten in der oben erwähnten Studie forderten eine Erweiterung des Körperbildes in den Medien, die Einführung eines Mindest-BMI für Models und Schauspielerinnen sowie die Abschaffung von „Size Zero“. Auch ich träume von einer Welt, in der niemand auf die Idee kommt, wir müssten uns unsere Pfunde herunterhungern, um in die ersehnten Kleidergrößen zu passen. Also von einer Welt, in der sich die Mode stattdessen unseren Körpern anpasst und Modedesigner Outfits für uns entwerfen, die unsere Körper in ihrer wunderbaren Vielfalt wärmen, umschmeicheln und schmücken. Sich schön und attraktiv zu fühlen ist toll und Mode macht Spaß! Wann also fangen wir endlich an, diese Erfahrung nicht länger ans Dünnsein zu knüpfen?

Bildnachweis: istockphoto.com/Wavebreakmedia

Über die Autorin

Dr. Karin Lachenmeir ist Psychologische Psychotherapeutin und seit 2002 im TCE tätig, seit 2008 als Leiterin der Einrichtung. Sie ist approbierte Verhaltenstherapeutin und hat Weiterbildungen in Körpertherapie und Systemischer Beratung absolviert. Seit 2011 ist sie zudem als Dozentin und Supervisorin für verschiedene Münchner Weiterbildungsinstitute tätig. Am TCE hat sie die Verantwortung für alle personellen, organisatorischen und fachlichen Fragen. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten lesend oder schreibend, auf ausgedehnten Spaziergängen, im Kino, im Theater oder auf Reisen.