Essstörung: Definition, Anzeichen, Phasen
Zwanghaftes Kalorienzählen, exzessiver Sport, Essanfälle und Erbrechen: Das Krankheitsbild Essstörung hat viele Gesichter. Doch was genau ist eigentlich eine Essstörung, ab wann ist das Essverhalten einer Person als bedenklich einzustufen und welche Phasen durchleben Betroffene? Antworten auf diese und viele weitere Fragen finden Interessierte hier.
Was ist überhaupt eine Essstörung?
Eine Essstörung ist durch anormale oder unregelmäßige Essgewohnheiten gekennzeichnet. Dabei ist das Essverhalten so stark gestört, dass schwerwiegende gesundheitliche Schäden und psychische Folgeerscheinungen drohen. Die Essstörung ist eine der häufigsten psychischen Störungen bei (vorwiegend weiblichen) Jugendlichen und jungen Erwachsenen – grundsätzlich können jedoch Menschen in allen Altersklassen und beider Geschlechter betroffen sein.
Essstörungen treten vor allem in folgenden drei Hauptformen auf:
• Anorexie (Magersucht)
• Bulimie (Ess-Brech-Sucht)
• Binge-Eating-Störung
Die Anorexie geht mit einer deutlich verminderten Kalorienaufnahme und einem verzerrten Körperbild einher: Betroffene zählen jede Kalorie, nehmen immer weiter ab und fühlen sich dabei dennoch zu dick. Menschen mit Bulimie erleiden regelmäßige Heißhungeranfälle, bei denen sie ungewöhnlich große Nahrungsmengen zu sich nehmen. Anschließend erbrechen sie sich oder greifen zu Abführmitteln, um eine Zunahme zu verhindern. Ebenso wie von Anorexie Betroffene haben sie große Angst, zu dick zu sein oder zu werden. Ein typisches Merkmal von Binge Eating ist die unkontrollierte Aufnahme von großen Nahrungsmengen – oft bis zu einem unangenehmen Völlegefühl weit über die natürliche Sättigung hinaus. Diese Essanfälle gehen häufig mit starken Gefühlen von Scham, Ekel oder Selbsthass einher.
Essstörung – ja oder nein?
Die Übergänge zwischen einem normalen Essverhalten und einer Essstörung sind fließend. Grundsätzlich gilt jedoch: Kreisen die Gedanken rund um die Uhr um das Thema Essen, um Kalorien oder auch um die Kalorienverbrennung in Form von Sport, kann das ein erstes Warnsignal sein. Auch dann, wenn der Automatismus von Hunger und Sättigung außer Kraft gesetzt, nicht mehr wahrgenommen oder ignoriert wird, sollten Betroffene eine professionelle Beratung in Anspruch nehmen. Gleiches gilt, wenn jede Gewichtszunahme – und sei sie auch noch so klein – zu Niedergeschlagenheit führt, während jedes Minus auf der Waage als Erfolgserlebnis verbucht wird.
Typische Anzeichen für eine Essstörung
Insbesondere eine Ess-Brech-Sucht und Binge Eating werden von den Betroffenen oftmals über Jahre hinweg vor Freunden und Verwandten erfolgreich verheimlicht. Dabei gibt es jede Menge Anzeichen, die auf eine Essstörung hindeuten können - von der exzessiven Beschäftigung mit Lebensmitteln und ihren Nährwerten über die Vermeidung bestimmter Nahrungsmittel bis hin zum Leben auf Dauerdiät. Spätestens dann, wenn ständig Ausreden für gemeinsame Mahlzeiten gesucht werden, es zum sozialen Rückzug kommt und/oder die schulischen Leistungen nachlassen, sollten Angehörige hellhörig werden und eine Beratungsstelle aufsuchen.
Phasen einer Essstörung im Überblick
Essstörungen sind heilbar. Die Erfahrung hat dabei gezeigt: Etwa ein Drittel überwindet die Erkrankung dauerhaft, während ein weiteres Drittel im Laufe des Heilungsprozesses einen oder mehrere Rückfälle erleidet. Bei rund 25 Prozent zeigt sich ein schwerer und langwieriger Verlauf; zehn Prozent sterben an den Auswirkungen ihrer Essstörung.
Bis zur Heilung ist es ein langer Weg, wobei Betroffene typischerweise folgende Phasen durchlaufen:
1. Präkontemplation = Verleugnung
Der oder die Erkrankte sieht kein Problem, verleugnet die Essstörung und wehrt jegliche Form von Einmischung ab. Die Voraussetzungen für eine Therapie sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben – dennoch ist es ratsam, sich in einer Beratungsstelle professionell beraten zu lassen. Allein die Aufklärung und die direkte Konfrontation mit dem ungesunden Essverhalten können in den Betroffenen etwas anstoßen und das Problembewusstsein schärfen.
2. Kontemplation = Erkennen
Irgendwann kommt der Punkt, an dem Betroffene den Gedanken zulassen, dass mit ihrem Essverhalten etwas nicht in Ordnung ist. Allerdings meinen sie, sie hätten alles im Griff und könnten jederzeit etwas ändern, sofern sie nur wollten. Wer sich in dieser Phase befindet, sollte sich selbst die Frage stellen: Schaffe ich es, meine Essgewohnheiten für einen begrenzten Zeitraum – etwa für vier Wochen – zu ändern? Bin ich bereit, es überhaupt auszuprobieren? Was löst dieser Gedanke in mir aus?
3. Wachsendes Problembewusstsein
In dieser Phase sind die Betroffenen sich durchaus bewusst, dass ihr Essverhalten nicht normal und für die eigene Gesundheit schädlich ist. Es fehlt ihnen jedoch an Motivation, etwas zu ändern. Dieses Stadium ist also von Widersprüchlichkeit gekennzeichnet – vom Problembewusstsein einerseits und von der Angst vor Veränderung andererseits. Am Ende dieser Phase steht im besten Fall der Entschluss, die Veränderung in Angriff zu nehmen und alle nötigen Vorbereitungen zu treffen, damit das möglich wird (z. B. sich über Therapieangebote informieren, Erstgespräche in den in Frage kommenden Therapieeinrichtungen führen, sich für ein Therapieangebot entscheiden).
4. Aktion: Ich will etwas ändern!
In Phase 4 verfolgen die Betroffenen das Ziel, ein normales und gesundes Essverhalten zurückzuerlangen. Aber: Die Essstörung besteht zu diesem Zeitpunkt oftmals schon seit Jahren. Sie hat tiefe Spuren in den Denkprozessen hinterlassen, sodass Betroffene immer wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen. Der Kampf gegen die Krankheit gelingt daher nicht aus eigener Kraft, sondern nur mit fachkundiger Hilfe – beispielsweise in einer Tagesklinik oder in einer therapeutischen Wohngruppe. In Aktion zu treten bedeutet, sich Tag für Tag den eigenen Ängsten zu stellen, sich zu überwinden und Dinge zu wagen, die zuvor unvorstellbar erschienen – oftmals wochen- und monatelang. Dann ist es wichtig, nicht alleine zu sein, sondern professionelle Hilfe und eine Gruppe Gleichgesinnter zur Seite zu haben.
5. Stabilisierung: Ich will gesund bleiben!
In der Stabilisierungsphase verabschieden Erkrankte sich Schritt für Schritt von ihrem alten Leben und sagen von sich selbst: "Ich will nicht mehr zurück!". Zwar bleiben Rückfälle eine Gefahr – aber auch diese bieten immer wieder eine Chance, etwas dazuzulernen, sich weiterzuentwickeln und mehr und mehr an innerer Freiheit zu gewinnen. Eine erfolgreiche Therapie erfordert daher vor allem eines: Geduld. Es ist davon auszugehen, dass der Genesungsweg zurück in ein normales, gesundes Leben mehrere Jahre dauern kann.