Für das neue Jahr haben wir uns viel vorgenommen. Wir haben uns zusammengesetzt und uns überlegt, welche Ziele wir in den kommenden Jahren verfolgen wollen. Dabei war es uns vor allem wichtig, den gesundheitlichen Gefahren wirksam zu begegnen, die mit dem Hungerzustand und dem daraus resultierenden Untergewicht einhergehen.
Ein wichtiges Ziel ist es, dass mindestens 80 Prozent der Patientinnen, die sich zu Beginn der Therapie im Untergewicht befinden, im Laufe der Therapie Normalgewicht erreichen. Uns ist bewusst, dass dies angesichts des Schweregrads der Erkrankung ein hohes Ziel ist, doch mit unserer Essstruktur steht unseren Patientinnen (und Patienten) ein sehr wirksames Werkzeug zur Verfügung, das schon vielen bei der Gewichtsnormalisierung geholfen hat.
Wie sieht es nun in der Realität aus? Von den Patientinnen, die wir 2022 mit Untergewicht aufgenommen haben (davon mehr als 70 Prozent mit hochgradigem Untergewicht), haben es etwa 75 Prozent geschafft, dieses Ziel zu erreichen. Damit bewegen wir uns schon sehr nah an unserem selbstgesetzten Ziel.
Ein weiteres wichtiges Ziel für uns ist es, dass unsere Patientinnen (und Patienten) eine Verbesserung ihrer Symptomatik erleben. Zu diesem Zweck messen wir diese jeweils zu Beginn und am Ende der Therapie mit Hilfe von Fragebögen. Hier zeigen sich deutliche Verbesserungen im Bereich der Essstörungssymptomatik, vor allem in Hinblick auf das restriktive Essverhalten und die Essenssorgen. Zwischen 80 und 85 Prozent aller Patientinnen zeigen hier bei Entlassung unauffällige Werte. Die Körperakzeptanz stellt für Patientinnen, die an Essstörungen leiden, demgegenüber eine besonders große Herausforderung dar und wir beobachten häufig, dass sich die Sorgen um Figur und Gewicht während der Gewichtszunahme eher verstärken. Umso mehr freuen wir uns, dass sich 2022 auch die Figur- und Gewichtssorgen unserer Patientinnen im Laufe der Therapie messbar verbessert haben.
82 Prozent der Patientinnen, die zu Beginn der Therapie unter Essanfällen litten, berichteten während der letzten vier Wochen der Therapie keinerlei Essanfälle mehr. Betrachten wir Erbrechen und Abführmittelkonsum sowie das exzessiv-zwanghafte Sporttreiben, so verbrachten mehr als drei Viertel der Betroffenen die letzten Wochen am TCE völlig symptomfrei. Bei denen, die noch von Symptomen berichteten, war deren Häufigkeit deutlich zurückgegangen.
Das sind Zahlen, die Mut machen, Zahlen, die Hoffnung vermitteln können. Denn auch, wenn unsere Patientinnen mit Entlassung aus dem TCE noch nicht geheilt sind, ihr Genesungsprozess weitergeht und Rückfälle in alte Verhaltensweisen ein Teil dieses Weges sein können, so ist die Erfahrung, über einen längeren Zeitraum symptomfrei zu sein und sich selbstfürsorglich zu ernähren, doch eine wichtige Ressource. Essstörungen sind heilbar. Es lohnt sich!
Bildnachweis: Carolin Jacklin/TCE
Dr. Karin Lachenmeir ist Psychologische Psychotherapeutin und seit 2002 im TCE tätig, seit 2008 als Leiterin der Einrichtung. Sie ist approbierte Verhaltenstherapeutin und hat Weiterbildungen in Körpertherapie und Systemischer Beratung absolviert. Seit 2011 ist sie zudem als Dozentin und Supervisorin für verschiedene Münchner Weiterbildungsinstitute tätig. Am TCE hat sie die Verantwortung für alle personellen, organisatorischen und fachlichen Fragen. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten lesend oder schreibend, auf ausgedehnten Spaziergängen, im Kino, im Theater oder auf Reisen.